Die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe des SPIEGEL beschäftigt sich mit der Digitalisierung unserer Gesundheit und faßt deren Stand sehr gut zusammen. Beschrieben wird auch der Standpunkt der Ärzte und der Politik. Letztlich wird eins mehr als deutlich: das Verhältnis der Akteure im Gesundheitswesen ist geprägt von tiefem Mißtrauen untereinander- wie es die Beispiele des Fiaskos der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) oder das eHealth-Gesetz deutlich machen.

Vertrauen ist wesentlich.

Auch in der Beziehung zwischen Patient und Arzt. Seit jeher und ich kann mir nicht vorstellen, daß sich das ändert.

Und: Gute Ärzte werden durch die Digitalisierung nicht überflüssig, davon bin ich überzeugt.

Menschen, Patienten, wollen eHealth und mHealth. Das ist gut, denn, wie ich in einem vorherigen Beitrag gezeigt habe, können wir die dabei erzeugten Daten in der Medizin nutzen, um die Gesundheit aller Menschen zu verbessern – und wir brauchen diesen  systemischen Ansatz vor allem bei nicht-infektiösen Erkrankungen.

Es tut uns Ärzten also gut, wenn wir uns dieses Bedürfnisses unserer Patienten annehmen. Tun wir es nicht, werden es andere tun, die eben keinen hippokratischen Eid geschworen haben – auch dies beschreibt der Artikel im SPIEGEL deutlich.

Tun wir es also, indem wir lernen, eHealth und mHealth in der Befundung, Diagnostik und Therapie einzusetzen. Dazu müssen wir auch wissen, wie wirksam diese Apps sein können und dazu beitragen, daß sie unseren Patienten helfen können.

Ärzte sind keine ITler.

Doch wie andere zeigen, ist es die ethische Pflicht des Arztes im 21. Jahrhundert, sich mit den Möglichkeiten einer digitalisierten Medizin für seine Patienten auseinanderzusetzen. Wir Ärzte sollten also über unseren Schatten springen und zusammen mit unseren Patienten Ideen und Konzepte entwickeln, wie eine elektronische Krankenakte aussehen muß, damit sie dem Wohl des Einzelnen und dem medizinischen Fortschritt dienen kann.

Daß der Staat dazu nicht in der Lage ist, beweist er mit der eGK. Das Management von Gesundheitsdaten ist eben kein Industrieprojekt, sondern ein im besten Sinne bürgerliches und gesellschaftliches. Länder wie Dänemark zeigen, wie es gehen kann.

Am Ende irrt der SPIEGEL kolossal: es hängt eben nicht von der Politik ab, die den Rahmen der Digitalisierung des Gesundheitswesens so gestalten soll, daß sie für alle Patienten ein Gewinn wird.

Politik in Deutschland verwaltet Gesundheit irgendwie, iterativ und in Trippelschritten.

Es geht aber um Medizin2.0 und somit um Disruption im guten Sinne.

Nationale Politik ist zur Disruption nicht in der Lage, erst recht nicht in Deutschland, wo die Digitalisierung im Gesundheitswesen als Industrieprojekt angegangen wird. Eine Politik, die sich so in das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt einmischt, wird Gewinn nur ökonomisch verstehen. Und die Beziehung zwischen Patient und Arzt zerstören.

Die Digitalisierung der Medizin, nicht des Gesundheitswesens, ist Projekt einer Zivilgesellschaft, die, genau wie die vermeintlich bösen Konzerne, keine nationalen Grenzen setzt, sondern die zentrale Rolle des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt anerkennt und Ärzte motiviert, sich auch digital um ihre Patienten zu kümmern.

Gesundheitsdaten gehören dem Patienten zum Zwecke seiner Gesundheit und, anonymisiert, der Menschheit zum Zwecke des medizinischen Fortschritts.

Der Gefahrennarrativ des SPIEGEL ist in seiner Reflexhaftigkeit nachvollziehbar, im Angesicht der Größe der Aufgabe und der Chancen, die die Medizin2.0 bietet, falsch und letztlich schönster digitaler Biedermeier.

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